Omar Khir Alanam im Interview

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von Stefanie Nicole Khier

Im Juni hatte ich die Gelegenheit, unser Ehrenmitglied Omar persönlich zu treffen und ihm Fragen zu seinem neuen Buch, dem Schreiben und seinem Leben als Künstler zu stellen. Hier bekommt ihr einen Einblick in Omars Gedanken, was ihn beschäftigt und wie es weitergeht mit seinem künstlerischen Schaffen. Viel Spaß beim Lesen!

Omar, du hast dir hier in Österreich schon einen Namen gemacht und man kennt dich durch deine Bücher. Erzähle uns doch bitte genauer, wo für dich das Schreiben begonnen hat?

Ich war mit 16 Jahren bei einer Lesung und habe da zum ersten Mal erlebt, dass einer vor Leuten steht und ein Gedicht liest. Das hat mich fasziniert und am nächsten Tag habe ich mein erstes Gedicht geschrieben. Ich sehe mich in erster Linie als Lyriker, das ist meins.

Und was genau war es, das dich fasziniert hat an dieser Lesung, an diesem Gedicht? 

Dass ein Mann dasteht und von seiner Liebe erzählt. Das war stark für mich, denn ich habe immer gedacht, ein starker Mann zeigt keine Tränen, keine Schwäche. Aber ich konnte mich in diesem typischen Bild von einem Mann nicht finden. Das hat mich so inspiriert, dass ich gleich ein Liebesgedicht geschrieben habe. Ich war nicht verliebt, aber ich habe mich in eine Figur verliebt und für sie ein Gedicht geschrieben.

Du hast schon im Livetalk mit Andrea Dirnbauer erwähnt, dass du an einem neuen Buch arbeitest. Gibt es darin wieder eine Botschaft für die Österreicher und Österreicherinnen?

Ja, ich arbeite gerade an einem Buch, das im Dezember rauskommt unter dem Titel „Feig, faul und frauenfeindlich. Was an euren Vorurteilen stimmt und was nicht“ und in dem ich quasi Vorurteile analysiere. In diesem Buch nehme ich bestimmte Aussagen wie zum Beispiel „Die Araber zwingen ihre Frauen, ein Kopftuch zu tragen.“ und ich will weder widersprechen noch bestätigen, sondern analysieren. Ich habe die Diskussionen verfolgt, die Migration, Fremde, „Ausländer“, Einheimische und Rassismus betreffen und bemerkt, dass vom Thema abgelenkt wird. Ich will analysieren und nicht sagen, dass die Vorurteile nicht stimmen. Ich sehe mich als Künstler und nicht als Politiker.

In deinen Büchern schaffst du dir diesen Raum für dich, wo du quasi deine Erlebnisse schilderst und deine Erfahrungen…

Laut denken. Und ehrlich, also vor allem ehrlich. Es geht mir um die innere Einstellung und wie ich mit dem Thema starte. Für mich ist es nie aus der Perspektive Wir und Ihr. Ich fühle mich mit manchen Österreichern viel verbundener als mit manchen Syrern. Das gilt auch umgekehrt. Wir müssen raus aus diesen Perspektiven Wir und Ihr. Das ist eine Mauer, weißt du? Ich will einen weiten Blick, offener und ehrlich reden. Was ich eigentlich fordere, ist ein ehrlicher Dialog. Ich muss auch mit mir selbst ehrlich sein. Es geht nicht darum, Dinge schön zu reden. Ich will etwas verändern.

Siehst du es als deine Mission, als deine Berufung, in Österreich für mehr Gerechtigkeit und Verständnis für Geflüchtete zu sorgen?

Ja und nein. Ich will niemanden vertreten, denn ich bin kein Politiker. Ich sage nicht, dass ich jetzt das Bild des Flüchtlings schön präsentiere. Dann gibt es wieder ein Entweder und Oder. Es ist aber nicht alles schön oder alles nur schlecht. Dadurch befreie ich auch die Geflüchteten. Das, was ich immer versuche in privaten Gesprächen: raus aus der Opferrolle. Was ist der Unterschied zwischen diesen beiden Sätzen „Du bist fremd, Ausländer etc.“ und „Unser Flüchtling Abdul“? Ich will ehrlich sein und versuche, zu vermitteln, das ist meine Aufgabe und die Rolle, die ich gerne annehme. Ich als Künstler kann Dinge anders betrachten und jetzt habe ich die Methode, die Mittel, die Literatur, die Wörter, die Kunst praktisch, um meinen Blick zu vermitteln. Dadurch beurteile ich auch die Leute nicht. Ich gehe auf die Leute zu, um meinen Blick zu vermitteln.

Omar Kir Alanam im Interview mit Stefanie

Ich finde, das ist dir in deinen Büchern auch gut gelungen. Mich würde interessieren, ob du dadurch Kritik von deinen Landsleuten bekommen oder vielleicht neidische Blicke auf dich gezogen hast?

(lächelt) Sicher, sicher. Ich wurde auch von meinen Landsleuten kritisiert, weil mein erstes Buch „Danke“ heißt. Vor kurzem hatte ich ein Gespräch mit jemandem, der auch Künstler und Musiker ist und sich aufgeregt hat, und das obwohl er mein Buch nicht gelesen hat. Oft sind das auch Leute, die meine Arbeit nicht kennen. […] Er ist genauso Populist wie diese Leute, die er kritisiert. Und wir befinden uns zwischen zwei Hämmern, die irgendwie auf uns einschlagen. Kein Verständnis, keine Toleranz, kein Mitgefühl, aber das alles von anderen zu verlangen, ohne es zu geben. Das hat mich immer wieder traurig gemacht. Ich habe versucht zu reden, aber manchmal gibt es Gespräche mit Rechtsextremen, wo ich wenig spreche, weil die Person sowieso nicht hören will. Neid, natürlich, immer wieder.

Und das Witzige ist, die Gesellschaft sieht uns nur als Flüchtlinge und wir sind keine Flüchtlinge. Ich habe selbst mit diesem Begriff kein Problem. Ich bin ein Flüchtling, aber das bewertet mich nicht, sondern beschreibt eine Situation: Ich musste fliehen.

Und deshalb musste ich mich erst mit mir selber beschäftigen, damit ich kein Problem mit diesem Wort habe, und damit dann die anderen damit kein Problem haben. Wie verlange ich von Österreichern, dass sie mit mir und diesem Begriff kein Problem haben, wenn ich es aber habe und es als abwertend sehe?

Für manche Syrer bin ich mehr Flüchtling als für manche Österreicher. Für die bin ich immer noch der Flüchtling, die sehen meine Arbeit nicht und was ich tue.

Solche Situationen bestätigen meine Arbeit und das, wofür ich stehe. Es ist nicht Österreicher, Araber, Syrer; es ist menschlich. Und überall. Und wir müssen eben diese Dinge bearbeiten und analysieren.

Vorher hast du schon deine Arbeit erwähnt. Hättest du dir jemals vorstellen können, dein Leben würde so aussehen?

Nicht wirklich. Ich mache immer wieder Schritte und erwarte etwas. Ich versuche, das ist menschlich. Aber ich versuche zu reflektieren und nichts zu erwarten. Ich mache den Schritt, aber was kommt, weiß ich nicht. Es ergibt sich. Ich bin offen, ich habe Pläne, Konzepte. Ich versuche immer, etwas Neues zu machen. Und ich gehe durch das Leben mit einem Lächeln, einer offenen Art und dann ergibt sich etwas. Ich probiere etwas und wenn es funktioniert weiß ich, das kann ich und das entwickelt sich dann. Ich freue mich sehr, dass das Leben so aussieht, aber ich habe mich auch immer gefreut, egal wie mein Leben ausgeschaut hat. Ich habe immer versucht, diese Freude zu spüren.

Es kommen ja auch Dinge, die unerwartet sind. Und ich habe mich sehr gefreut, als ich gehört habe, dass du SwaF beigetreten bist. Du bist unser Ehrenmitglied. Kannst du ein bisschen erzählen, warum Start with a Friend und wie du zu uns gekommen bist?

Durch Judith, sie hat mich kontaktiert. Ich finde die Idee großartig, weil mich genau das an meine erste Zeit hier in Österreich erinnert, wo ich den Kontakt gesucht habe. Schau, dort sitzt eine Gruppe (zeigt auf die Wiese) und ich bin hingegangen und habe mit denen geredet. Ich bin auf eine offene Art auf Leute zugegangen und habe Kontakt gesucht. Ich denke, solche Projekte, die ganz einfach mit Leuten, die das ehrenamtlich machen oder für ganz wenig Geld…Ich bin sicher, dass das viel, viel, viel bringt für die Integration. Deshalb freue ich mich, dabei sein zu dürfen.

Gibt es noch andere Projekte, von denen du erzählen möchtest. Wir wissen jetzt schon, du schreibst an deinem vierten Buch. Eines davon war ein Gedichtband, möchtest du in dem Bereich weiterschreiben?  

Schon, ja. Gedichte sind etwas ganz Besonderes. Und auch auf meinen Lesungen lese ich immer wieder Gedichte vor. Ich werde weiter Gedichte schreiben, ich sammle die nebenbei und werde die irgendwann veröffentlichen. Wie du weißt, hat Lyrik nicht so ein großes Publikum wie Prosa. Aber ich versuche, das cooler zu machen, das ist auch ein Projekt, indem ich Gedichte verfilme, oder in Form eines Songs bearbeite.

Omar und Stefanie

Möchtest du noch etwas zum Abschluss sagen? Hast du Wünsche für Vereine wie Swaf, oder generell für das Thema Geflüchtete und Integration?

Ich habe immer Hoffnungen. Ich wünsche mir den Dialog, den ehrlichen Dialog. Ich freue mich sehr, dass es engagierte Leute gibt, die habe ich im ersten Buch „Helden der Integration“ genannt, weil sie etwas tun. Deshalb glaube ich auch an den Satz „Morgen ist schöner.“; nicht wird, sondern ist. Denn das ist verbunden mit einem Tun, das ich heute mache, für das Morgen. Das wünsche ich mir generell von jeder Person, sei es Österreicher oder Geflüchteter. Das brauchen wir für unsere Zukunft.

Ja, etwas zu tun und auch zu bewegen, sich selbst, nicht nur andere, sondern bei sich selber anzufangen.

Aufhören zu jammern. Versuche etwas! Übernimm, such nicht die Schuld bei anderen! Wenn dein Leben nicht funktioniert, sind nicht die anderen schuld daran. Vielleicht spielen sie mit, aber beginne bei dir. Und die größte Veränderung beginnt bei dir selbst.

Vielen Dank, Omar, für diese ermutigenden Worte zum Abschluss! Wir wünschen dir viel Erfolg für deine weiteren Projekte!

Seid ihr neugierig geworden? Auf unserer Geburtstagsparty am 16.Oktober 2021 am Badeschiff habt ihr die Chance, Omar live zu sehen und kennenzulernen!

Auf Omars Website erfahrt ihr mehr zu seiner Person, seinem Leben und den drei Büchern, die er schon geschrieben hat.

www.omarkhiralanam.com